Sonntag, 29. April 2012

Zwangsurlaub

Freitagvormittag in Misyani: Mum wird ins Büro der Schulleitung gerufen.
Als sie zurück kommt schaut sie, als wisse sie nicht ob sie sich freuen oder traurig sein soll. 
So etwas wie der Schulausschuss der Region hat entschieden, dass ab Montag den 30.4. die Schule geschlossen ist und der geplante Unterricht für die Klassen 5-8 ausfällt. Wir sollen unsere Kinder noch am gleichen Tag nach hause schicken. 
Also ruft Mum reihum die Familien der 7 Kinder, die bis dahin noch im Small Home waren, an um ihnen zu sagen, dass sie noch am gleichen Tag ihre Kinder abholen sollen. 


Völlig aufgeregt und eine Stunde früher als sonst kommen sie von der Schule nach hause und packen ihre Sachen zusammen. Zwar sind sie alle gerne im Small Home, aber die Überraschung dass sie nun für 10 Tage Eltern und Geschwister sehen dürfen, war doch für alle eine freudige. 


                                                                                                                                        
Eine andere nette Überrschung am Freitag war, dass wir endlich Sukuma Wiki gepflanzt haben! 
Am Donnerstagabend hatten wir ein Stück Land hinter dem Small Home umgegraben und Freitagmorgen hat eine Mutter, die ihr Kind besuchen wollte (und es dann gleich mit nach hause nehmen durfte) die Sukumapflanzen mitgebracht. 
Zum Glück ist ja gerade Regenzeit und wir brauchen uns keine Sorgen machen, dass die Pflänzchen vertrocknen solange keiner sich um sie kümmert. 


Ich selbst packte dann auch meine Sachen zusammen. Aber was nehme ich nur mit und was nicht? Klettersachen? Sicherheitshalber ja. Campinggeschirr und Kocher? Man weiß nie. Zelt? Ja. Schlafsack? Auf jeden Fall! In der Regenzeit ist es ganz schön kalt nachts. Laptop? Natürlich. Wenn niemand mit mir reisen will, kann ich wenigstens Bilder sortieren und meinen Blog vollschreiben. 
Bepackt wie ein Esel mit einem großen und einem kleinen Rucksack ging es also bei strahlendem Sonnenschein los nach Nairobi. Der Bus war schon ziemlich voll als ich ankam und so musste mein großer Rucksack aufs Dach gebunden werden. Beim ersten mal, als das der Fall war war ich beunruhigt. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. 
Mit der Entspannung war es allerdings vorbei als ich die schwarzen Wolken über der Stadt sah, in die wir geradewegs hineinfuhren. Nach der Hälfte der Strecke regnete es in Strömen und ich fing an zu beten, dass ich wirklich nichts im Rucksack vergessen habe, was kein Wasser verträgt. 
Als wir nach einer Stunde ankamen und der Conducter mir meinen Rucksack vom Dach gab entschuldigte er sich erst und meinte dann noch: "It is not wet!" Natürlich nicht. Blödmann. 


Die Straßen in Nairobi hatten sich in Sturzbäche verwandelt. In der braunen Brühe schwammen immer mal Abfälle oder von Marktständen weggeschwämmte Frühlingszwiebeln,Sukumablätter, oder Kräuterbündel vorbei. Das Problem an der Sache war nicht nur, dass ich wusste was in dem wadentiefen Wasser noch so alles drinherum schwimmt, sondern dass man wegen des ganzen Drecks nicht sah, wo man hintritt. Ein Mann bot mir dann an, dass er mir für 10 Shilling durch das Wasser auf die andere Straßenseite helfen kann. Sah ich nach 10 Minuten Wasserstampfen in strömendem Regen noch aus, als müsse mir jemand helfen durch einen weiteren Bach zu laufen? Nein! Blödmann. 
Erstaunlicherweise war meine Laune garnichtmal so schlecht als ich im Hostel angekommen war. Trotzdem habe ich an dem Abend nicht mehr viel gemacht und vor allem meinen warmen Schlafsack nicht mehr verlassen. 



Samstag, 21. April 2012

Sweet Home Misyani

Nach insgesamt 2 Wochen bin ich wieder zurück in Misyani. Es ist ungewohnt still als ich zurückkomme. Mum sitzt mit Lucy, Faith, Nzisa, Mary und Mutinda draußen. Alles ist noch feucht vom letzten Regen. Alle anderen Kinder sind seit einer Woche zu hause, bei Eltern oder anderen Verwandten. 
Ich frage was es neues gibt und erfahre, dass Mutiso im Rennen und Katile im Scrabble spielen die Schulwettbewerbe gewonnen haben und in Machakos zur nächsten Runde ebenfalls erfolgreich waren. Jetzt sind sie in Nairobi zu den National-Wettbewerben.

Am nächsten Tag muss ich feststellen, dass alle Hühner inklusive Hahn tot sind. Das hielt wohl niemand für erwähnenswert. Nun gut. Werde ich nicht mehr um 5 Uhr morgens vom Hahnenschrei geweckt. Schade um die Tiere. Was passiert ist kann mir niemand sagen.

Das Sukumafeld ist immernoch gähnend leer. Aber Mum und ich wollen das angehen, wenn sie nach einer Woche Urlaub wieder in Misyani ist.  Und die Toiletten? Sie funktionieren! Seit es regnet ist wieder genug Wasser da und der Tank der das Innere des Hauses versorgt wird wieder gefüllt. Immerhin ein Erfolg. 

Die Kinder haben zwar jetzt Ferien und prinzipiell viel Zeit - jedoch verbringen sie den halben Tag mit Hausaufgaben machen. Ich nutze die Zeit zum Bilder sortieren und Blogschreiben, lesen und Kiswahili lesen. 
Es ist unglaublich, dass jetzt schon 7,5 Monate vorbei sind. 3,5 liegen noch vor mir und ich habe ausreichend Pläne um dass sie nur so vorbeifliegen werden. 

Es wird auch Zeit sich Gedanken um "das Danach" zu machen. Garnicht so einfach sich da festzulegen. 
Viel hängt auch davon ab, wie es mit Bewerbungen und Jobangeboten läuft und wird sich sehr wahrscheinlich
erst dann entscheiden, wenn ich wieder da bin. Bis dahin versuche ich das Leben ganz kenianisch zu sehen und immer den Moment zu leben-was mir immernoch nicht leicht fällt. 

Leider musste ich feststellen, dass ich in Misyani viel häufiger krank werde, als wenn ich nicht dort bin. Seit November war ich nie länger als 2 Wochen am Stück richtig fit. Wenn ich nach Nairobi oder andersowhin gehe, wird es besser - komme ich zurück wieder schlechter oder nach wenigen Tagen kommt was neues. Ich habe jetzt begonnen Vitamine und Mineralien künstlich zuzufügen und hoffe, dass mein Immunsystem sich dankbar erweißt, denn das allgemeine Wohlbefinden leidet doch gewaltig, wenn die Gesundheit nicht in Ordnung ist. 

In 10 Tagen bekomme ich übrigens wieder Gesellschaft! Ein neuer weltwärts-freiwilliger kommt nach Misyani. Er heißt Jonas und ist Erzieher. Ich bin schon sehr gespannt und hoffe, dass wir uns gut verstehen. 
Leonie ist bereits wieder in Deutschland. Es war schön, sie einen Monat hier zu haben! 

Donnerstag, 19. April 2012

Bad Hair Day

Bevor ich nach Misyani zurückkam, wollte ich unbedingt noch meine Haare schneiden lassen. Sonne, Wind und Staub sah man ihnen inzwischen an. Das war ein Abenteuer für sich! Schneller als ich STOP rufen konnte, hatte der Friseur, der noch behauptet hatte er könne mit solchen Haaren wie meinen umgehen, alle Haare zusammengefasst und den Rasierer drangehalten. Unglaublich! Mir stiegen Tränen in die Augen (das können nur Leute verstehen, die lange Haare haben glaub ich). Ich bat ihn aufzuhören und er wollte tatsächlich nochmal die Maschine ansetzen. Ich war wütend und traurig zugleich. Konnte garnicht fassen was da passiert war. Empört verließ ich den Laden. 

In einem anderen Salon fragte ich nach, ob es jemanden gibt, der meine Frisur retten kann und sie riefen jemanden an. Der war zwar auch spürbar kein Profi mit glatten Europäer-Haaren, aber schien zumindest schonmal solche geschnitten zu haben. Tja. Und nun sehe ich so aus: 

Anna und ich in "Tony`s Nest", der Freiwilligen-Stammkneipe in Buruburu.
 

Am Freitag mussten wir uns dann auch noch von zwei ganz lieben Mädels verabschieden, mit denen ich sehr gerne Zeit verbracht habe, wenn ich in Nairobi war. Anna und Rosa waren für 8 Monate in Kenia und sind jetzt wieder zu hause in Deutschland. Fast alle, mit denen ich viel und gerne weggegangen bin, sind jetzt schon wieder in good old Germany. Gut, dass immer wieder neue ankommen! Und gut, dass ein paar sehr liebgewonnene Menschen noch genauso lange da sind wie ich. Nämlich heute noch genau 101 Tage.

Montag, 16. April 2012

Vorzeitige Ferien

Etwa 2 Wochen bevor die Schulferien beginnen sollten, teilte man mir mit, dass nicht alle Kinder Ferien haben. Die Kinder der 6.-8. Klasse haben durchgehend Unterricht, zumindest am Vormittag unter der Woche. Mum soll in dieser Zeit frei haben und daher wurde mehr oder weniger von mir erwartet, dass ich in den Ferien da bleibe. Mir fiel im ersten Moment die Kinnlade herunter, da ich für den Zeitraum der Schulferien schon mit anderen Freiwilligen ein paar Unternehmungen geplant hatte, da fast alle in Schulprojekten arbeiten und frei haben. Aber ich wollte Mum und die Kids nicht im Stich lassen und sagte somit ersteinmal alles ab. 
Nach einem Gespräch mit der Schulleitung einigten wir uns darauf, dass ich eine Woche vor den Ferien und die erste Ferienwoche frei bekomme. Den Rest der Ferien (es sind noch eine oder zwei Wochen - das weiß niemand so genau) hat nun Mum frei. 

Der Vorteil an den vorverlegten Ferien war, dass ich an einer Reise mit dem Mountain Club of Kenya (MCK) teilnehmen konnte. Sie ging in den Norden Kenias, wo man mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer, bzw. (nördlich von Maralal) überhaupt nicht hinkommt. Schon am ersten Tag ließen wir das letzte Sück Teerstraße hinter uns und begaben uns auf das Territorium der Samburu - einer Volksgruppe Kenias, die noch sehr ursprünglich lebt. Von diesem Tag an begegneten uns maximal 1-3 Fahrzeuge pro Tag! Meist Trucks oder Jeeps.
Die Häuser der Samburu bestehen größtenteils aus Zweigen, Pappe, Stoffresten und den Plastiksäcken in denen sie von Hilfsorganisationen wie UNICEF, Welthungerhilfe und anderen Nahrungsmittel erhalten.

Frauen und Männer tragen oft kiloschweren Schmuck um den Hals und auf dem Kopf. Weiße kommen fast ausschließlich in die Gegend, um Hilfsgüter herzubringen. Daher ist das Denken, dass Weiße viel Geld haben und genug haben um jedem hier etwas abzugeben noch stärker spürbar als in allen anderen Gegenden, in denen ich bisher war.

Da das Land der Samburu größtenteils Wüstenland ist, leben sie überwiegend von der Ziegen- und Kamelzucht. Wasser ist oft mehrere Tagesreisen mit dem Kamel oder Esel entfernt. Dort wo Wasser ist, ist auch immer ein Dorf oder sogar eine Stadt (die in unseren Augen wie ein Dorf aussieht, aber 5000 oder mehr Einwohner hat). Da regelmäßig Hilfsgüter wie Reis, Bohnen, Mais, Milchpulver, und sogar Solarpanels, Wasserpumpen und -filter und anderes geliefert wird, bemüht man sich aber auch nicht um andere Nahrungsquellen.  Ein Ire, der mit seiner Frau und den 3 Kindern seit 3 Jahren in einem Dorf im Nordosten lebt hat uns erzählt, dass sich die Leute gegenseitig Kinder ausleihen um mehr Nahrung zu bekommen, wenn ein Truck von einer Organisation ankommt. Sie nehmen sich das Nötigste und verkaufen den Rest auf dem Markt. Die Wasserfilter, die eine Woche vor unserer Ankunft gebracht wurden, waren schon überall in den Geschäften zu sehen. 

Später führte uns unsere Reise zum Lake Turkana, wo die Volksgruppe der Turkana, Samburu und El Molo leben. Letztere ist mit 200 Menschen die kleinste in Kenia. Leider ist ihre Sprache vor ein paar Jahren ausgestorben und sie sprechen jetzt Kisamburu. 
Die Leute am See ernähren sich überwiegend von Fisch und trinken das Seewasser, was ihnen extreme Mangelerscheinung (sichtbar an furchtbar verfärbten Zähnen und verbogenen Knochen) verschafft. Aber sie bleiben dort, weil es ihr Land ist und sie dort hingehören. 
2 Tagesfußmärsche entfernt befindet sich der Mount Kulal. Ein etwas über 2000m hoher Berg auf dem es ausreichend Wasser, Strom, Handyempfang und damit verbunden auch ausreichend Nahrung gibt. Für uns ist es schwer zu verstehen, warum trotzdem verhältnismäßig viele Menschen unten am See wohnen, wo es nur hin und wieder ein paar Bäume und sonst viel Sand und Steine gibt. Unser Thermometer zeigt uns am Nachmittag 45°C an. Das Wasser im See ist salzig. Nur eine heiße Quelle in der Stadt Loyangalani, im Süden des Sees versorgt die Menschen in einem unüberschaubaren Umkreis mit Süßwasser. 

Was mich kulturell auch sehr beeindruckte war die Mischung der Gruppe. Es waren Italiener, US-Amerikaner, Engländer, eine Halb-Srilankaerin, zwei Schweizer und 3 Kenianer dabei, die allesamt in reichen Wohngegenden Nairobis wohnen und größtenteils in der Entwicklungshilfe, oder für riesengroße Unternehmen arbeiten. Viele der Teilnehmer wussten erstaunlich wenig über Kenia, dafür dass sie schon so lange hier sind. Als ich erzählte was ich hier mache und wie ich hier lebe waren kurzzeitig alle Ohren auf mich gerichtet und es gab viele Fragen und erstaunte Gesichter bei den Antworten. 
Zwar haben wir immer gecampt und hatten einige Nächte keine Toiletten und Duschen - trotzdem fühlte ich mich von Luxus umgeben. Die Nahrungsmittel, die wir dabeihatten entsprachen dem, was ich von zu hause gewöhnt bin und hatten nicht ein einziges mal annähernd etwas mit dem zu tun, was ich die letzten 7,5 Monate gegessen habe. Auch die Gespräche hatten natürlich völlig andere Inhalte und das Englisch, das wir sprachen war völlig anders, als das, an das ich mich hier schon fast gewöhnt habe. Ich war also für 11 Tage nicht nur geographisch in einer vollkommen anderen Welt!

Baio heißt dieser Berg, den wir nach 1000 Höhenmetern und über 5h Wanderung bei sengender Hitze erreichten. Der Abstieg war mindestens genauso schweißtreibend. Der Ausblick dafür atemberaubend!

Das sind keine Kornkreise, sondern Samburu-Dörfer, die mit Wällen aus Gestrüpp kreisrund abgesteckt sind. Innerhalb eines größeren Kreises gibt es oft mehrere kleine Kreise, die den Wohnraum einer Familie abgrenzen.

Gipfel des Mount Nyiru, ca. 2700m üNN. Während auf der ganzen Wanderung (wieder 1000 Höhenmeter Differenz) der Schweiß in Strömen floss und 4l Wasser geradeso genug waren, war es dort oben selbst mit der Fleecejacke noch sehr kalt. Im Windschatten eines Felsblockes war es aber gut auszuhalten und so konnten wir mit schöner Aussicht zu Mittag essen.
Neben den vielen kulturellen Eindrücken, durfte ich auch die unglaubliche Vielfalt des Landes mit atemberaubenden Kulissen genießen. Drei Wanderungen und ein Tagesausflug ins Dorf der El Molo sowie die vielen, vielen Kilometer im Auto waren trotz Hitze und Trockenheit ein Genuss. Einen genaueren Bericht der Tour schreibe ich in einen anderen Blog, denn die Ferien gehören ja nur indirekt zu meinem Freiwilligendienst. Was interkulturelle Erfahrungen angeht, habe ich in den 11 Tagen Reise jedoch so viele gesammelt, dass ich sie euch Lesern nicht vorenthalten wollte!